Wie löse ich Karma auf? - Teil I

Im vorangegangenen Artikel habe ich beschrieben, was Karma ist, wie es wirkt und funktioniert. Nun geht es darum, wie man mit Karma umgeht, wie man es bearbeiten, verändern, ja sogar auflösen kann.

 

Karma verändern und auflösen, das sich über einen langen Zeitraum, über viele Leben angesammelt hat – das klingt nach einer Mammutaufgabe. Der erste und wichtigste Schritt ist die Akzeptanz, Karma, möglicherweise vor allem belastendes zu haben und die Verantwortung dafür anzunehmen.

 

Ohne Eigenverantwortung geht es nicht.

 

Wenn wir Karma als Gesetz von Ursache und Wirkung verstanden haben, wissen wir, dass wir die Verantwortung für unsere Umstände niemand anderem geben können. Irgendetwas ist dem, was uns gerade geschieht, immer vorausgegangen. Zur Erinnerung: Das gilt natürlich auch für das leidfreie Karma, das wir als „gutes“ Karma bezeichnen.

 

Um sich von diesem Ballast-Berg nicht erdrücken zu lassen, kann man sich zunächst Folgendes klar machen: Karma geschieht jeden Tag, in jeder Sekunde. Wir atmen ein und wir atmen aus und haben dabei Gedanken gedacht. Und Gefühle gefühlt. Und Energie ausgestrahlt oder aufgenommen. Das geschieht in jedem einzelnen Moment. Und so können wir auch in jedem einzelnen Moment steuern, wie es mit uns weitergeht. Wir können Gedanken und Gefühlen der Wut, des Hasses, der Angst oder der Abneigung Raum geben und damit unsere Energie füllen und unsere Resonanz prägen. Oder aber wir entscheiden uns bewusst für Gedanken, Gefühle und Energien der Liebe, Freude, Akzeptanz und des Mitgefühls. Daraus entstehen innerhalb jedes Atemzugs Handlungen, die negativen Ballast fernhalten. Wir sind, was wir denken.

 

So einfach ist das.

 

Einfach für den, der übt.

 

Der zweite Schritt, nachdem wir also anerkannt haben, dass wir karmische Lasten tragen und dass wir sekündlich unser Karma und damit auch unsere Zukunft prägen ist, keinen neuen Ballast anzusammeln.

 

 

WIE REDUZIERE ICH KARMA?

 

Bewusstsein und Achtsamkeit.

Die Ursachen sind immer da, weil wir mit unserem Körper in einer Welt leben und mit ihr interagieren. Darauf haben wir keinen Einfluss, wir können die Ursachen nicht abschaffen, da aus ihnen Leben resultiert. Wir können jedoch den Effekt, die Wirkung, beeinflussen. Wir können auf etwas mit negativen Gedanken und Gefühlen reagieren, wir können unserem Ärger Luft machen und wiederholt darüber reden, was wir alles nicht mögen und wie ungerecht jemand war. Oder aber wir wählen achtsam unsere Gedanken, Gefühle und Handlungen aus. Nicht, weil wir Angst vor dem Karma hätten wählen wir die Liebe, sondern weil wir wissen, dass sie die bessere Wahl ist. Für uns selbst und für andere. Und zu wissen – wirklich verstanden zu haben – dass wir jederzeit die Wahl haben, wie wir uns fühlen, wie wir reagieren, das ist wichtig und macht uns frei.

 

Es ist unabdinglich, einen gewissen Anspruch zu haben an uns selbst und an unsere eigenen Handlungen (Denken, Fühlen, Reden, Energieaustausch, Taten), sodass wir nicht wahllos durchs Leben stolpern, uns nicht bewusst ist, welche Auswirkungen unsere Handlungen auf unser Leben und auf das der anderen hat.

 

Es gibt Karma, das ein wenig (manchmal ein wenig mehr) Hilfe braucht beim Auflösen. Es gibt die harten Nüsse, die es zu knacken gilt. Das meiste aber, die größte Last, sind die vielen kleinen Dinge, die vielen negativen Gedanken, insbesondere die Sorgen und Grübeleien, die wir all die Leben (und in diesem Leben) schon gedacht haben. All die negativen Emotionen, die wir durchlebt und deren Energie wir behalten haben.

Durch die Übung von Achtsamkeit und bewusstem Handeln in jedem Moment, können wir dem entgegenwirken. Ich sage bewusst „Übung“. Diese Fähigkeit fällt nicht vom Himmel.

 

 

Nichtwissen gilt nicht.

Wir können bewusst sein und achtsam, aber etwas nicht gewusst haben. Beispielsweise wenn man ein T-Shirt kauft, das in einem menschenunwürdigen Sweatshop hergestellt wurde. Oder viel um die Welt fliegen und sagen „Oh, ich wusste nicht, dass das nicht gut für die Umwelt ist.“ Selbst wenn wir etwas ohne Absicht (nichtwissend) tun, geht das aufs Karmakonto. Es ist unsere Aufgabe zu wissen! Denn für unser Sein und Handeln tragen nur wir alleine die Verantwortung.

Unser Körper unterscheidet ja auch nicht, ob sein Besitzer wusste, dass sich Fastfood negativ auf seinen Cholesterinspiegel auswirkt. Dieses Essverhalten wirkt – wissend oder nichtwissend. Allerdings: Jemand, der weiß, wie schädlich dieses Essen für den Körper ist und es trotzdem verzehrt, dem schadet es auch mehr. Das wurde in einer Studie zur Wirkung von ungesundem Essen erforscht. Mit dem Karma verhält es sich genauso: Wer bewusst (wissend = absichtlich) eine für ihn selbst oder andere schädliche Handlung ausübt, sammelt mehr Leid an als beim Nichtwissen.

 

 

Ignoranz gilt nicht.

Nun könnte man auf die Idee kommen, dass man auf der sichersten Seite ist, wenn man möglichst gar nicht handelt, sich verkriecht, nicht hinschaut, nicht interagiert. Doch das ist keine Lösung. Es gibt dieses Spiel des Lebens. Nicht mitzuspielen, weil man so wenigstens keine Fehler machen kann, funktioniert nicht. Unsere Seele ist hier, im Körper, weil sie Erfahrungen machen möchte. Wir gehen also raus ins Leben – nur am besten achtsam und wissend, was unsere Absichten sind.

 

 

Ahimsa – das Prinzip der Gewaltlosigkeit.

Ahimsa ist eines der wichtigsten Prinzipien, um kein weiteres Karma anzuhäufen. Dabei geht es um Gewaltlosigkeit sich selbst und andren gegenüber und wird im Yogasutra im Rahmen der Yamas – der Prinzipien des Umgangs mit der Umwelt – beschrieben. Wenn wir uns selbst und anderen nicht schaden, weder durch Taten, Gedanken, Gefühlen oder Rede, sammelt sich kein neues Karma an. Ahimsa lernt man durch Mitgefühl – auch das ist eine Übung. Ahimsa wird oft in den Yogastunden zur Sprache gebracht: Als Praktizierende°r soll man achtsam, freundlich und mitfühlend mit sich selbst und dem Körper umgehen, anstatt sich mittels Willens und Kraft in die Asanas hineinzuzwängen. Wer das regelmäßig auf der Matte übt, wird das nach und nach in sein Leben jenseits der Matte integrieren.

 

„Lerne, freudig und liebevoll zu sein.

Dann ist es leicht, dir zu helfen, es ist leicht,

mit dir zu arbeiten, es ist leicht, dir die Hand zu reichen.

Glückliche Menschen sind flexibel. Verliere deine Flexibilität nicht!

Das ist das Wichtigste.

Das ist der Grund für Yoga am Morgen.

Flexibilität ist in einem Zustand der Unzufriedenheit nicht möglich.

Das ist der Grund, warum es wichtig ist, freudig zu sein,

liebevoll zu sein, glücklich zu sein, friedlich zu sein.

~ Sadhguru

 

Nichtidentifikation.

Wenn das eigentliche karmische Problem ist, dass wir uns mit bestimmten (natürlich meist negativen) Erfahrungen identifizieren, dann ist Nichtidentifikation die Lösung. Für dieses Konzept brauchen wir Mut. Denn was wir dabei in Frage stellen müssen, ist unsere Persönlichkeit bzw. das, was wir für sie halten. „Muss ich so sein, auf diese Weise leben, denken, fühlen und handeln? Wer wäre ich, wenn ich dieses oder jenes änderte? Welche Freiheiten, Potentiale und welche Verantwortungen stünden mir dann zur Verfügung? Und was verliere ich, wenn ich von meiner vermeintlich festgelegten Persönlichkeit löse?“

Im Yoga bezeichnen wir diese vermeintliche Persönlichkeit auch als Ego. Wenn man es schafft, das Ego nach und nach zerbröseln zu lassen, scheint darunter ein wahrer Diamant hervor: Das Wahre Selbst.

 

 

Vergebung.

Und wie identifiziert man sich nicht mit dem, was man Tag um Tag, Leben um Leben erfahren hat? Durch Loslassen. Klingt simpel, doch alle, die das schon wahrhaft bis in die Tiefe versucht haben, wissen um die Herausforderungen beim Loslassen. Eine der Hürden ist neben den starken Gefühlen von Wut und Hass der Wunsch nach Gerechtigkeit, nach Ausgleich und Bestrafung.

Das Gegenmittel ist Vergebung – Großzügigkeit gegenüber der Vergangenheit, gegenüber den eigenen Verfehlungen und den Fehlern anderer. Das Tor zur Vergebung ist das Herz. Daher ist das tibetische Mantra des Mitgefühls „Om mani pedme hum“ auch ein Vergebungsmantra. Es löst alle Gegensätze auf, so auch die zwischen ‚gut‘ und ‚schlecht‘, ‚falsch‘ und ‚richtig‘, ‚Freund‘ und ‚Feind‘.

Das Prinzip der Vergebung rückt nicht in den Vordergrund, was uns trennt, sondern was uns eint: Der Wunsch, frei zu sein von Leid.

Es gibt unendlich viele Vergebungsmeditationen; eine der berühmtesten ist das hawaiiansiche Ho’opono’pono oder die buddhistische Meditation der liebevollen Güte (Meditation of loving kindness oder auch Mettameditation).

 

 

„Du kannst keine neue Zukunft erschaffen,

indem du an den Emotionen

der Vergangenheit festhältst.“

~ Dr. Joe Dispenza

 

 

WIE LÖSE ICH KARMA AUF?

 

Meditation.

Durch Meditation allein können wir bereits Karma lösen. Weil wir unsere Gedanken und Gefühle und all die anderen Regungen bewusst wahrnehmen. Uns selbst und alles um uns herum. Dadurch werden wir höchst bewusst. Im Idealfall kommen wir über eine längere Zeit in einen Zustand, in dem wir nicht bewerten, indem alles einfach nur ist. So erzeugen wir kein neues Karma und durch Erkenntnis (Jnana) können wir karmische Blockaden auch auflösen. So, wie unser Körper von selbst Verspannungen ablegen kann, wenn wir ihn nur mal lassen und nicht noch neue Verspannungen draufsetzen, sondern bewusst entspannen, so kann auch Karma abfließen, wenn wir nichts oben draufpacken.

 

Wir können einfach nur sitzen (Zazen, Vipassana) oder gezielte Meditationen wählen.

Eine aktive Meditation zur Heilung des Karmas unserer Ahnen, das auch in uns selbst wirkt, ist diese KundaliniYoga-Meditation:

„Healing Ancestral Karma“ mit dem Guru Ram Das Mantra und einem speziellen Herzmudra.

 

 

 

Mantren.

Es gibt Mantren, die unser Karma transformieren können.

Der „remover of obsticals“ ist die hinduistische Gottheit Ganesha. Alle Mantren, die seine Energie anrufen, beseitigen nicht nur die kurzfristigen Hindernisse, sie können auch altes Karma auflösen. Zum Beispiel „Om Gam Ganapataye Namaha“ oder auch „Jai Ganesha“.

 

Das „Ganpati-Mantra“ aus dem KundaliniYoga ist auch ein solcher Hindernisbeseitger – kein Wunder, denn „Ganpati“ ist ein anderer Name für Ganesha. Es heilt unser Karma – auch das finde ich eine schöne Betrachtungsweise. Wir müssen nicht immer etwas loswerden, wir müssen es heilen. In diesem Mantra verbinden sich zwei sehr kraftvolle Mantren: „Sa Ta Na Ma“ und „Ra Ma Da Sa Sa Sey So Hung“. Der erste Teil bringt uns in unseren Dharma zurück, verbindet uns mit unserem Lebensweg, bringt den natürlichen Kreislauf aller Dinge zurück, das Kommen, Sein und Gehen und verbindet uns durch diese Bewusstwerdung mit der Unendlichkeit. Jeder, der nach Veränderungen sucht, ist mit diesem Mantra bereits gut gerüstet. Mit dem zweiten Teil „Ra Ma Da Sa….“ kommt eines der großen Heilmantren hinzu, das nicht nur Körper und Seele heilt, sondern als universale Heilenergie auch unsere karmischen Aufladungen neutralisieren kann. Die Klänge des „Ra Ma Da Sa…“-Mantras alleine bringen schon unser Prana in Bewegung – und das ist es, was gegen Blockaden hilft. Etwas muss in Bewegung kommen. Bei wiederholtem Chanten des Ganpati-Mantras bringen die Silben unsere linke und rechte Hirnhälfte in Balance und schaffen so den Neutralen Geist für uns – den Raum der Heilung, in dem wir frei sind von Bewertungen.

 

Für dieses Mantra gibt es die dazu passende Ganpati Kriya, eine Meditation mit Mudra und Bewegung.

 

 

 

Mit dem tibetischen „Vajrasattva Mantra“ ruft man den „Buddha der ursprünglichen Reinheit“ an. Die Energie dieses Mantras ist wie ein Resetknopf, wir starten neu. Das vollständige 100-Sylben-Mantra ist durchaus eine sprachliche Herausforderung. Ich empfehle jedoch, sich darauf einzulassen, denn die Schwingungen die dieses Mantra erzeugt, sind ganz besonders. Sie öffnen unsere Energiekanäle, sodass, ähnlich wie beim physischen Entgiften, alles Alte und Schädliche abfließen kann.

 

 

 

 

Eine Kurzform dieses Mantras gibt es auch: „Om Benza Satto Hung“.

 

 

 

 

Wichtig bei allen Mantren ist die innere Einstellung, eine klare Absicht, warum man dieses Mantra singt oder chantet und, ganz besonders, dass die Energie, die man dabei anruft, nichts Äußeres ist. Wir legen durch Mantren etwas frei, das in unserem Inneren bereits vorhanden ist. Es ist nur verdeckt von vielen Schichten des Vergessens. Auch wenn wir göttliche Energien zu uns holen wollen: Das Göttliche ist immer in uns.

 

Namasté – Das Göttliche in mir grüßt das Göttliche in dir.

 

 

Nächste Woche, in Teil II des Karma-Auflösens, berichte ich über das energetische Auflösen von Altlasten.