Wie funktioniert eigentlich Karma?

WAS IST KARMA DOCH GLEICH?

Und hat man es, selbst wenn man nicht daran glaubt?

Oder ist es doch nur ein Klischee?

 

Wir unterteilen all zu gerne in gutes und in schlechtes Karma. Doch letztendlich gibt es nur das eine wertfreie Karma: die Anhäufung von Folgen durch unser Handeln.

 

Im Yogasutra wird die Wahrnehmung und Bewertung von Karma wie folgt beschrieben:

 

„Handlungen sind für den Yogi weder schwarz noch weiß, für andere sind sie dreifach.“

 ~ Yogasutra, Vers 4.7

 

 

Hier geht es also um die Bewertungen in gut und schlecht und beides (= dreifach). Der Yogi – der entwickelte und an höhere Ebenen angebundene Geist – gibt sich diesen Bewertungen nicht hin. So lange man an Bewertungen festhält, löst sich Karma nicht auf, man verstrickt sich sogar immer mehr darin, es wiederholt sich und man lädt mehr und mehr Ballast auf sich.

 

Das Wort Karma selbst bedeutet Handlung oder Tat. Jede Interaktion verursacht Karma. Etwas ausführlicher formuliert beschreibt Karma das Gesetz von Ursache und Wirkung. Das ist uns auch im Westen nicht fremd. Jede Tat hat eine Wirkung und zieht wiederum eine Folgetat nach sich. Wem das zu abstrakt ist, schaue sich Zeitreisenklassiker wie „Zurück in die Zukunft“ an oder auch, recht neu, die Serie „Dark“. Hier wird bis ins Detail aufgedröselt, welches Handeln welche Folgen für die Zukunft hat. Auch Geschichte kennt diese karmischen Ketten. Nicht selten münden sie in Fehden und Kriegen, die nicht enden wollen.

 

Fälschlicherweise betrachten wir mit unserem christlich geprägten Blick Karma oft als eine Frage von Schuld. Wer ist schuld an diesem und jenem Geschehen?

Karma ist jedoch zunächst neutral, es ist eine Handlung. Wie die Gesetze in Chemie und Physik. Wenn ich eines in Gang setze, folgt daraus das andere. Wenn ich diese Substanz mit einer anderen mische, erfolgt eine Reaktion. Klar und neutral.

 

Es geht also nicht um die Frage der Schuld beim Karma und dass durch leidvolle Geschehnisse dieses Karma gerächt würde. Diese Betrachtungsweise ist nicht hilfreich.

 

Worum es eigentlich geht, ist die Entwicklung der Seele, welche Erfahrungen und Handlungen sie hinter sich lassen möchte und welche sie sucht. Und sicher verursacht Karma auch Leiden – genauso wie Freuden. Für die ursprüngliche Seele ist jedoch beides neutral: eine Erfahrung, durch die sie lernt.

 

 

„Karma is the information which happens on various levels which makes you who you are. You are who you are only because of the karmic memory that you carry. Then, when did it become a problem? It became a problem because you got identified with that memory.“

 ~ Sadhguru

 

 

 

WAS GENAU SIND HANDLUNGEN?

Handlungen, die schließlich auch Karma erzeugen – sowohl „gutes“ wie auch „schlechtes“ – sind weiter zu fassen als nur als sichtbare Taten. Auch alles was wir denken, sagen und fühlen zählt zu den Handlungen. Wenn ich also schlecht über jemanden denke, erschaffe ich für mich selbst und für den anderen negative Schwingungen (Energien) und damit belastendes Karma. Wenn ich über eine Person schlecht spreche oder einfach nur eine Aversion gegen diese Person habe, passiert dasselbe.

 

Bei Karma denken wir meist an ein individuelles Schicksal, das jeder hat. Doch in der hinduistischen und buddhistischen Philosophie ist das eine nicht trennbar vom anderen: Alles ist eins. Somit hat die individuelle Handlung Auswirkung auf alle Lebewesen, auf die gesamte Welt. Im Guten wie im Schlechten. Man kann sich das wie einen Pool vorstellen, in dem wir alle schwimmen. Jede Handlung ergibt einen Wassertropfen und reichert das Wasser an. Und natürlich wünschen wir uns mehr heilsame Wassertropfen als vergiftetes Wasser…

 

 

 

WOHER WEIß ICH, DASS ICH KARMA HABE?

 

„Karma means allowing your past to be your future.“

  ~ Sadhguru

 

Karma wirkt wie Filter, die über unseren Geist, unsere Emotionen und unsere Energie gelegt sind. So denken, fühlen und handeln wir wiederholt auf dieselbe Weise – ohne es zu merken. Wir sind so an unsere eigene innere Welt der Wahrnehmung gewöhnt, dass wir sie nicht in Frage stellen. Wir denken, so zu leben sei normal. Und dann denken wir sogar noch, dass alle Menschen ihr Leben auf dieselbe Weise wahrnehmen. Außer: Wir werden bewusst, stellen Fragen und stellen in Frage. Wenn wir nichts in Frage stellen, bleibt alles beim Alten, alles wiederholt sich endlos. In der indischen Philosophie nennt sich das Samsara, der Kreislauf des Leidens. Durch frühere Beeinflussungen, Erfahrungen und Glaubenssätze entwickeln wir eine Resonanz, die immer und immer wieder dieselben Erfahrungen herbeiführt. Das führt dazu, dass wir uns in unserer Wahrnehmung bestätigt fühlen und sie als normal betrachten.

 

Das Yogasutra nennt das Programmierungen. Wenn ich unbewusst lebe, also handle, laufen diese Programmierungen, basierend auf unseren Erfahrungen in diesem Leben, in anderen Leben und weitergegeben durch unsere Ahnen, im Autopiloten ab. Welche Programmierungen wir haben, können wir an den „Früchten“ erkennen, die wir „ernten“. Was geschieht mir in meinem Leben immer und immer wieder? Gerne geben wir an diesen Umständen, zumindest, wenn wir sie als negativ empfinden, anderen die Schuld dafür. Die anderen waren gemein, haben nichts abgegeben, waren ungerecht. Nach dem karmischen Prinzip sollte man hier jedoch wach werden und bei sich selbst nachschauen. Was in mir könnte dazu führen, dass ich immer wieder dieselben Erfahrungen mache?

 

Wer sich nicht dieser Filter, dieser Belastungen und Unfreiheiten bewusst wird, behält sie bei. Und so wird unsere Vergangenheit auf ewig unsere Zukunft sein.

 

 

WAS IST DAS ZIEL?

Da wir alle bestrebt sind, Leid zu vermeiden und Glück zu suchen, liegt es nahe, gutes Karma anzusammeln. Damit tun wir uns selbst etwas Gutes genauso wie anderen Lebewesen. Man denke an das Bild im gemeinsamen Pool zu schwimmen: Alle unsere Handlungen wirken sich auch auf andere aus. Das verhält sich wie mit dem Kollektiven Unbewussten der Psychologie, durch das wir Lebewesen miteinander verbunden sind.

 

Manche Lehrer und Gurus sagen: Sammle gar kein Karma an. Wenn du das Rad von Abhängigkeiten und Handlungsfolgen zum Stillstand bringen möchtest, deine Seele also ganz und gar befreien möchtest, sodass sie neutral ist, ist der Weg, kein Karma anzusammeln.

 

Das lässt sich jedoch kaum realisieren. So lange wir im Körper sind, atmen und uns bewegen, essen und trinken und uns entleeren, erzeugen wir Karma. Wir können die Entstehung von neuem Karma aber weitestgehend reduzieren, indem wir nicht unnötig in Handlungen eingreifen, möglichst keine erzeugen und auf andere Handlungen nicht reagieren. Allein dies bringt ein Gefühl von Erleichterung und Leichtigkeit, weil wir keine zusätzlichen Lasten auf uns laden, uns nicht in weitere andere Karmastränge verwickeln.

 

Vorsicht: Es geht nicht darum, sich zurückzuziehen, um keine Berührungspunkte mehr entstehen zu lassen. Es geht um Achtsamkeit, darum, Unnötiges sein zu lassen, darum, zu agieren statt zu reagieren. Ein Experiment dazu? Bewusste Rede üben und Unbedeutendes nicht zu sagen. Achtsam zuhören, ohne alles zu kommentieren, zu interpretieren und zu bewerten.

 

Karma kann man nicht nur weniger anhäufen, man kann es auch auflösen, bereinigen. Da gibt es einiges zu tun und es gibt es zahllose Methoden. Mehr dazu im Artikel nächste Woche.

 

In einem Satz: Freiheit ist das Ziel. Karma sollte uns nicht blockieren, nicht aufhalten wir selbst zu sein, die Erfahrungen zu suchen, die unsere Seele machen möchte, die Entwicklungen zu durchlaufen, für die sie hier ist.

 

 

Die Aussicht auf Freiheit ist eine starke Motivation, die alten Programmierungen hinter sich zu lassen, sie aktiv anzugehen und sich selbst zu finden.

 

 

 

„Something happens, something doesn’t happen, for everything you create a mess within yourself and the load oft hat mess, just garbage. You’re like a garbage truck, I’m telling you. But now it’s a lockdown. You don’t have to pick up any garbage. That’s a good thing about lockdown.“

~ Sadhguru

 

 

 

 

 

Weiterlesen:

Sadhguru: "Karma. A Yogi's Guide to Crafting Your Destiny"

Jack Kornfield "Das weise Herz. Die universellen Prinzipien buddhistischer Psychologie"