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Stress ist eine Gewohnheit.

Stress ist heute mit die häufigste Ursache für psychische und physische Krankheiten. Das Wort „Stress“ bedeutet Druck und Anspannung und wird verursacht durch Überwältigung, eine Überreizung unserer Sinne. Wir können nicht alles verarbeiten, was wir wahrnehmen und ganz besonders merken wir, dass wir nicht alles bearbeiten können, was von uns verlangt wird. Chronischer Stress macht uns angreifbar, schwächt Nerven- und Immunsystem, verbraucht unsere Nährstoffe (Vitamine, Mineralien, Aminosäuren) rasant, bringt uns aus der Balance und setzt die natürliche Regulierung unseres Systems außer Kraft. Ein gesundes menschliches System wechselt von selbst zwischen Sympathikus – dem aktivierenden Teil unseres Nervensystems – und Parasympathikus – dem sogenannten „Ruhe- und Erholungsnerv“. Der Ausgleich zwischen diesen beiden Polen, die uns einerseits voller Kraft handeln und andererseits mit aller Intensität ruhen und regenerieren lassen, sind bei den meisten Menschen schon lange aus dem Takt geraten. Wir haben verlernt, in Rhythmen zu leben und außerdem richtig Pause zu machen. Die immer weiter und schneller fortschreitende Technisierung hat uns vieles ermöglicht, unvorstellbare Möglichkeiten für jeden und ist Teil unserer heutigen Freiheit. Damit, insbesondere mit dem Smartphone, ging einher, dass wir überall und zu jeder Zeit produktiv sein oder uns doch zumindest ablenken können.

 

Die Welt ist schnell geworden, die Anforderungen – auch die, die wir an uns selbst stellen – hoch, sodass, selbst wenn wir nachts schlafen, oft kein rechter Erholungseffekt da ist. Der Parasympathikus kommt nicht mehr durch, wenn wir ihm nicht helfen. Sogar Kinder, meist ab der Schulzeit, sind stressgeplagt, manche sogar depressiv – eine der Folgen der andauernden Sympathikus-Aktivität.

Die Welt ist, wie sie ist. Und wer Kinder hat, voll berufstätig ist, sich um die kranken Eltern kümmert, Verantwortung trägt und dann noch ein soziales Leben mit Ausgehen und Freunde treffen unter einen Hut bekommen möchte – wir wollen ja doch alle gerne perfekt sein – der wird aus dieser Spirale nicht herauskommen.

 

Außer...

Außer dieser jemand setzt sich selbst immer wieder Pausen. Pausen dürfen wir nicht unterschätzen! Sie helfen uns, alles was unsere Sinne aufgenommen haben, zu verdauen, diese Informationen und das Leben zu verdauen. Eine Pause heißt nicht zwangsläufig: „Setz dich hin und tue nichts.“ Eine Pause ist eine Unterbrechung des bisherigen Arbeits-, Tätigkeits-, Denk- und Fühlflusses. Je öfter wir solche Pausen machen, desto kürzer können sie sein.

Also: Mal vom Schreibtisch aufstehen und aus der verkürzten und gekrümmten Haltung rauskommen, mal bewusst durchatmen und Atemzüge zählen, ein paar Schritte bewusst gehen (Gehmeditationen sind leicht und überall integrierbar), das Handy liegen lassen und nicht noch mit einem Kollegen fachsimpeln.

Das weiß im Grunde jeder. Und doch setzen nur wenige dieses Wissen um. Weil es so viel zu tun gibt, weil man schnell zu Hause sein möchte, um dann noch schnell mal kurz entspannen zu können, noch schnell was im Fernsehen schauen, bevor man dann schnell ins Bett muss, der nächste Tag wird ja wieder anstrengend.

 

Wir sind Gewohnheitstiere und handeln nach denselben festgefahrenen Mustern, so lange, bis wir sie bewusst wahrnehmen, hinterfragen und gegebenenfalls durch bessere Muster ersetzen.

Das klingt plausibel, halbwegs einfach und für kurze Zeit (die guten Vorsätze) können wir uns auch anders verhalten. Nach einer Weile sind die alten Verhaltensweisen wieder da, denn: Stress macht süchtig! Und das ist das Muster, dem wir folgen. Wir suchen, meist unbewusst, immer wieder Situationen (selbst im Urlaub), die uns dasselbe Gefühl geben, das wir im Stresszustand haben – wir sind süchtig nach dem Hormoncocktail, der durch Stress ausgeschüttet wird. Genau genommen ist das nichts anderes als die Sucht nach Nikotin, Koffeein oder anderen Drogen.

Das würden die meisten zunächst leugnen, weil es sich so selbstzerstörerisch anhört. Die Hirnforschung aber weiß es besser: Dieselben Gedanken führen zu denselben Gefühlen und die wiederum führen zu denselben Handlungen und Abläufen in unserem Leben. All dies fest verankert in unseren neuronalen Netzen des Gehirns, die wir selbst angelegt haben.

In diesem Wissen, was uns gefangen hält, liegt zugleich die Lösung, wie wir uns befreien können. In „Und täglich grüßt das Murmeltier“ hängt Bill Murray, alias Wettermann Phil Connors, in einer Zeitschleife eines Tages fest. Zunächst bleibt er in seinen Verhaltensmustern stecken, wiederholt sie täglich aufs Neue und natürlich ändert sich nichts. Film-Nerds haben berechnet, dass diese Wiederholung ganze 12 Jahre, 6 Monate und 11 Tage dauert! Das ist lang, aber stecken wir selbst nicht oft noch viel länger fest? Schließlich beginnt Phil, jeden Tag anders zu gestalten, Neues zu lernen, anders mit Menschen umzugehen, ihnen sogar zu helfen, Freunde zu finden und Freude zu empfinden. All dies verändert ihn als Menschen vom Miesepeter zum angenehmen Zeitgenossen. Ich liebe diesen Film und das Bild, das er uns von uns selbst gibt. Wenn wir unsere Umstände und uns selbst verändern wollen, müssen wir das selbst tun, eigenverantwortlich, ohne die Außenwelt für unsere (stressige) Lage verantwortlich zu machen. Wir sind unseres Glückes Schmied.

 

Hier sind einige Möglichkeiten, wie man sich selbst „umprogrammieren“ und das perfekte, sich selbst regulierende System (das vegetative Nervensystem) wieder in Ordnung bringen kann:

  •  (echte) Pausen und Unterbrechungen während der Arbeit und anderen Verpflichtungen integrieren – nicht erst danach schauen, ob noch Zeit dafür ist. Ein einleuchtendes Beispiel ist das Klosterleben. Die Mönche haben ihre festen Tagesabläufe, darunter regelmäßige Zeiten für Andachten und Gebete. Und dennoch sind sie sehr effizient und ihr Tagewerk kann sich sehen lassen. Nicht trotz der Gebetszeiten, sondern deswegen! Nachzulesen bei Anselm Grün in „Klarheit, Ordnung, Stille: Was wir vom Leben im Kloster lernen können“.
  • Wenn du es eilig hast, gehe langsam “ oder „Wenn du es eilig hast, mache einen Umweg“.                                         Kein Multitasking ist nicht effizient, da wir nicht in der Lage sind, mehrere Dinge auf einmal zu tun. Tatsächlich wechselt man beim Multitasking ständig hin und her zwischen den einzelnen Tätigkeiten und verliert dadurch die Konzentration, während der Stress ansteigt. Wichtig ist, dass wir in unserer Kraft arbeiten, anstatt noch schnell etwas zu erledigen, obwohl wir längst aus unserem Arbeitshoch draußen sind. Der Mittagsschlaf feiert ein Comeback! Nicht nur gesund für die Psyche, auch für den Körper, insbesondere präventiv für Herz-Kreislauferkrankungen.

  • Ordnung schaffen. Innen und außen.

    Die Hirnforschung nennt das Kohärenz. Wenn unser Nervensystem nicht ausgeglichen ist, sind wir nicht kohärent, wir, unser System, ist in Unordnung. Die Folge sind organische Probleme aller Art, Allergien und Unverträglichkeiten, Unruhe, psychische Leiden und natürlich auch Langzeitschäden.

    Innere Ordnung schafft z.B. die herzkohärente Atmung (gleich lang ein wie ausatmen, zwischen 5-7 Sekunden pro Atemzug für wenigstens 3, besser 5 Minuten). Das klingt zu simpel? Ausprobieren. Der Effekt ist sofort spürbar.

    Äußere Ordnung schaffen. Mit ihren Büchern haben die Aufräum-Fee Marie Kondo in „Magic Cleaning“ und der Mönch Shunmyo Masuno in „Zen Magic“ sehr anschaulich erklärt, wie wichtig Ordnung und Sauberkeit sind und dass es wichtig ist, dass wir von Dingen umgeben sind, die uns wahrhaft Freude bereiten. Masuno schreibt, dass, auch wenn wir unsere Unordnung nicht mehr sehen, weil wir uns daran gewöhnt haben, sie uns auf einer tieferen Ebene stresst. Umgekehrt breitet sich Wohlgefühl aus, wenn alles um uns herum sauber und ordentlich ist. Dabei sind Aufräumen und Putzen kein lästiges Übel, sondern innerlich klärende Übungen, die zudem unsere Energie anheben. Auf die innere Haltung kommt es an.

  • Meditation.

    Dass wir durch Meditation unsere Sinne zurückziehen (Pratyahara), sodass sie sich erholen können, wissen wir. Das ist Erholung für unser gesamtes Nervensystem und unser Angstzentrum (Stress) verkleinert sich. Es ist aber noch mehr. Durch regelmäßige Meditation bilden wir selbst(!) in uns einen Neurotransmitter, der GABA heißt (Gamma-Aaminobuttersäure). Dieser Botenstoff lässt uns vergessen, wie Stress geht. Ich habe diese Erfahrung selbst gemacht, ein bisschen geschummelt durch die Einnahme von GABA-versetztem Grüntee und GABA-Kapseln. Ich habe stressvolle Gedanken absichtlich ausprobiert und ich konnte sie nicht fühlen. Erst, wenn ein Gedanke zum Gefühl wird, kann er körperlich wirksam werden. GABA ist ein Stoppschild für Stress. Auch Resilienz genannt.

  • Kundalini Kriya „Verdauung des Lebens“.

    Diese Kriya setzt am Magen-, Dünndarm- und Dickdarmmeridian an, die nicht nur helfen, dass wir unsere Nahrung ordentlich verdauen können, sondern auch das Leben mit all seinen Reizen und Eindrücken. Diese Übungsreihe ist zu finden in Satya Singhs Buch „Das Kundalini Yoga Handbuch“. Wer dieses nicht besitzt: Grundsätzlich sind alle Haltungen in Bauchlage oder Haltungen/Bewegungen, die den Bauchbereich massieren und Druck ausüben, dehnen und drehen hilfreich.

  • Veränderung der Gewohnheiten bewusst angehen.

    Dr. Joe Dispenza bietet diesem Thema ein breites Feld, gestützt auf die Erkenntnisse der Hirnforschung und der Epigenetik. Hinzu kommen seine geführten Meditationen als Unterstützung. Gut erklärt in „Ein neues Ich“.

    Relativ neu und direkt auf den Bestsellerlisten ist James Clear mit seiner „1%-Methode. Maximale Veränderung, maximale Wirkung“. Perfekt für alle, die zu Aufschieberitis neigen und das Argument haben, keine Zeit zu haben. Micro Habbits gibt es schon ab zwei Minuten.

  • Vitalstoffe überprüfen lassen und Speicher auffüllen.

    Wenn unsere Speicher nur halb voll sind, sind wir also auch nur ein halber Mensch. Wer immer gestresst, abgeschlagen, müde und oft krank ist, unter Angst- und Schlafstörungen leidet, kann sich selbst unterstützen, in dem er den Mangel an Vitalstoffen überprüfen lässt. Es gibt Selbsttests für zu Hause mit Trockenblut, das man an ein Labor schickt oder aber man geht zu einem orthomolekularen Mediziner und lässt sich dort gründlich checken und beraten. Diese Ärzte sind spezialisiert auf das Heilen mit Vitalstoffen und haben andere Vorstellungen von den "richtigen" Werten als die meisten Hausärzte. Auch hier sind meine eigenen Erfahrungen im wahrsten Sinne wunder-voll. Stress erzeugt Oxidation in unserem Körper - das ist dasselbe, wie wenn man einen Apfel aufschneidet und er wird braun. Gießt man Zitronensaft darüber, bleibt er frisch. Wir benötigen in Stresszeiten also auch mehr Antioxidantien, damit es uns nicht ergeht wie dem Apfel. Wer weniger verbrauchen und ergänzen möchte: siehe oben. Resilienz schaffen, sodass uns der Alltag nicht überrolt. Das ist möglich. Aber man muss es selbst tun.