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Furchtlos der Angst begegnen.

Was und wofür ist Angst?

 

Angst ist da, um unser Überleben zu sichern, sodass wir Lebewesen weiterhin existieren können und nicht wegen Übermut und Unvorsichtigkeiten aussterben. Das klingt so archaisch, doch genau so funktionieren wir noch heute:

Wir haben Angst vor dem stärkeren Alphatier (dem Chef und ähnlich autoritären Gestalten), wir haben Angst alleine zu sein (in alten Zeiten hätte das unser Leben enorm bedroht), vor Krankheiten, vor Schmerzen, vor Einschränkungen, davor, nicht genügend Geld zu haben...

...und manchmal, da verselbständigt sich die Angst und wird zur Angst vor der Angst, zu Panik, ausgelöst allein durch Gedanken, Hirngespinste, durch das wiederholte Abrufen vergangener, vielleicht traumatischer, Erfahrungen.

 

Wenn wir Angst haben – oder manchmal sogar das Gefühl haben, aus Angst zu bestehen – stellt sich unser gesamter Körper auf Fliehen ein. Oder auf Kämpfen. Oder aber, wenn es all zu aussichtslos scheint oder man kaum noch Energie hat, verfallen wir in eine Lähmung. In unserem Nervensystem übernimmt also der Sympathikus, der diese Aktivitäts-Hormone wie Adrenalin ausschüttet: Atmung und Herzschlag beschleunigen sich, alle Muskeln sind angespannt, um möglichst schnell in Aktion sein zu können, die Verdauungstätigkeit wird gehemmt.

Diese Reaktion ist hilfreich und völlig normal, so lange sie beendet wird und in den Parasympathikus, in die Regeneration, wechselt, sobald die bedrohliche Situation vorüber ist.

Wenn wir aber das Adrenalin nicht durch körperliche Aktivität verbrennen wie das beim Joggen oder während intensivem, kraftvollem Yoga geschieht, dann bleibt unser Cortisol-Spiegel erhöht und der Stress bleibt in uns hängen. Unsere Angstreaktion wird dadurch immer schneller aufgerufen, weil es uns an Widerstandskraft fehlt, auch Resilienz genannt.

Das liegt an der Amygdala, dem Mandelkern. Das ist ein Bereich in unserem Gehirn, der das Angstzentrum bildet. Wird dieser Bereich häufig abgerufen, vergrößert er sich – setzen wir Entspannung entgegen, kann er sich auf Dauer wieder verkleinern.

 

Entspannung darf hier nicht missverstanden werden. Dabei geht es nicht um gemütliche Couch-Tage vor dem Fernseher. Ganz und gar nicht. Denn beim TV-Konsum wird dasselbe Hirnzentrum getriggert, mit einer Ausnahme: Wir schauen eine gute Komödie und lachen. Was wir brauchen, ist aktive Entspannung. Das kann Meditation sein, Yoga Nidra – der dynamische Schlaf, aber auch bewusste Bewegung, am besten im Kombination mit bewusster Atmung wie das im Yoga oder im QiGong der Fall ist. So stellen wir eine Entspannungsreaktion her.

 

Aus der Sicht des Auyrveda, der altindischen Wissenschaft vom langen Leben, ist Angst ein Überschuss an Vata. Vata, eine Art Typenkostitution aber auch ein energetischer, physischer, emotionaler und mentaler Zustand, steht für das Element Luft. Luft ist flüchtig, schnell, nicht materiell, wechselhaft und wird daher unseren Gedanken zugeordnet, die dieselbe Qualität haben. Ganz schnell wechseln wir von einem zum nächsten Gedanken, was Unruhe schafft. Gerade noch haben wir positive oder neutrale Gedanken, doch ganz plötzlich beherrscht uns negatives Denken und die dazugehörigen Gefühle. Phantasie hat dieselbe Qualität: Innerhalb des Bruchteils einer Sekunde können wir uns aus dem Nichts ein Luftschloss zaubern oder aber die Hölle inszenieren. Genau das geschieht, wenn wir uns angst- und sorgenvollen Gedanken hingeben. Wir können uns so sehr hineinsteigern, in das Angstbild, dass wir ohne Hilfe nicht mehr herauskommen; dann wird medizinisch von einer Angststörung gesprochen.

Außer Vata gibt es im Auyrveda noch zwei andere Elemente: Pita, das Feuer und Kapha, die Erde. Wenn wir diese beiden Elemente stärken, helfen sie uns, den Vata-Überschuss und damit auch Angst und Panik zu drosseln, sogar aufzulösen.

 

 

ANGST ALS STARRE

Wer Angst als Starre, als Lähmung erlebt, braucht Pita, das Feuer. Feuer ist alles, was Bewegung und Transformation schafft.

Wer sich so stark in der Lähmung befindet, dass nicht an Bewegung oder Aufstehen zu denken ist, kann folgendes tun:

  • Ausgestreckt oder mit aufgestellten Füßen in Rückenlage auf den Boden legen und das Mantra „HAR“ chanten. Es wird schnell und aus dem Bauch heraus und dadurch recht laut gechantet. Der Nabel muss sich dabei bewegen. So lange, bis es besser wird. Wenn wir unser Nabelzentrum, das dritte Chakra, animieren, bringen wir unser Agni, unser inneres Feuer, unsere innere Kraft zum Glühen.
  • Und wenn man dann schon mal in dieser Position liegt, könnte man auch noch Bauchmuskelübungen machen – kleine Situps, gerne auch gedrehte oder die Stretchpose, bei der man die ausgestreckten Beine 10cm vom Boden anhebt (in einer leichteren Variante ist ein Bein angewinkelt), die Arme seitlich eng am Körper lässt und den Kopf so weit hebt, dass man den Bauch sehen kann. Wer sich auskennt, atmet hierzu noch den Feueratem.

 

ANGST ALS UNRUHE

Wenn wir unruhig sind, könnte Feuer unseren Zustand verschlimmern. Was uns hier besser unterstützt, ist die Erde, also Kapha.

  • Wir stärken dieses Element durch die Wahrnehmung und das Anfassen von Materie, also allem, was um uns herum ist: ganz bewusst Farben, Formen, Strukturen und Muster wahrnehmen. Sich immer wieder fragen: „Was sehe ich? Was fühle ich? Was schmecke ich? Was rieche ich? Was höre ich?“
  • Falls uns die Unruhe erlaubt, in statischen YogaAsanas zu verweilen, eignet sich am besten Malasana, die Hocke. Diese Haltung erdet enorm, stärkt das erste Chakra, unsere Wurzelverbindung zur Erde, und öffnet außerdem die Hüfte, sodass wir Spannungen loslassen können. Verstärkt wird dieser Effekt, wenn in dieser Haltung ein ganz lang gezogenes „Aaaaaaaaaaaaaa“ in einer möglichst tiefen Tonlage getönt wird.
  • Wer einfach nicht aus dem Kopf in den Körper kommen kann, sollte Utkatasana, die Wilde Haltung, ausprobieren. Nicht nur die üblichen fünf Atemzüge, sondern so lange bis sich die Oberschenkel bemerkbar machen und wir nicht anders können, als den Körper intensiv zu spüren.
  • Für den Fall, dass sich fließende Bewegung besser anfühlt, empfehle ich meine Lieblingssequenz: den Dragondance. Dabei werden Hüfte und Herz befreit, wir erden uns durch Bodennähe und Balance und à la QiGong wird stagnierende Energie verteilt. Die komplette Sequenz findet man in diesem Tutorial (kostenpflichtig)  oder hier in einer abgekürzten Variante kostenfrei. Auch mit fließenden Bewegungen kann man das „Aaaaaaaaaaaaaaa“-Tönen bestens kombinieren, sodass innerer Druck nachlässt und der Kopf wieder klar wird.

Bei EkhartYoga – der, wie ich finde, besten Streamingseite für Yoga – findet man außerdem kostenlose Klassen zum Thema Ruhe, Entspannung und Angstlösen.

 

Am wichtigsten ist, die Angst zunächst anzunehmen, anstatt sie wegzudrücken und so zu tun als wäre sie nicht da. Irgendwann wird sie sich mit aller Macht den Weg aus dem Unterbewussten nach oben bahnen – und dann erleben wir mit hoher Wahrscheinlichkeit einen Kontrollverlust. Also: Stelle dich der Angst. Furchtlos. Man darf Angst haben oder viel besser gesagt: erfahren. Sie findet in uns statt. Diese Akzeptanz steht immer ganz vorne. Dann erst kann der Lösungs- und Heilungsprozess beginnen.

 

 

DONTs

  •  Nachrichtenkonsum. Informiert sein: ja, aber durch gute und sichere Quellen und nicht zu oft. Nachrichten steigern Ängste, weil sie uns hilflos und ohnmächtig gegenüber den Geschehnissen fühlen lassen. Insbesondere nicht abends! Sonst nehmen wir dieses Gefühl und den Stress mit in die Nacht, sodass an erholsamen Schlaf nicht zu denken ist. Je weniger wir nachts verarbeiten müssen, desto besser. Daher auch:
  • Dasselbe gilt für Filme und Serien, die Angst- und Stressreaktionen in uns auslösen.
  • Reize aller Art meiden. Manchmal ist sogar Musik oder ein Gespräch zu viel. Zeitweiliger Rückzug kann unserem Nervensystem gut tun.
  • Alles, was die Hormone in Aufruhr bringt: Zucker (also auch alles aus Mehl, Kartoffeln, Reis, weniger Obst - dafür mehr Gemüse), Koffein und Alkohol. Wobei ein Glas (nur eines!) Rotwein therapeutisch wirksam sein und erden kann.

DOs

  • In die Natur gehen. Das erdet und hilft, sich zu regenerieren. Die Japaner sagen dazu „Waldbaden“ und wird staatlich verordnet. So weise...

  • Gartenarbeit: Wühlen in der Erde...erdet.

  • Sich verbinden mit mutigen, kraftvollen Vorbildern und Energien, zum Beispiel durch Mantran oder dem Lesen von Mythen und Märchen. Auf dem Foto dieses Artikels ist Kali, die furchtloseste Kriegergöttin des Hinduismus, zu sehen. Eine mildere, dennoch sehr kraftvolle Kali-Variante ist Durga, auch eine Kriegergöttin. Ganesha steht für einen klaren Geist und erdet.

  • Energiearbeit! Bevor ich energetisch gearbeitet habe, waren Ängste oder Ängstlichkeiten meine steten Begleiter, seit ich ein Kind war. Das hat mich nicht davon abgehalten mutig zu sein, dennoch waren die Ängste da. Auch Panikattacken haben ich kennengelernt. All das ist kein Thema mehr, seitdem ich meine Ängste energetisch aufgelöst habe. Sie wirken immer so groß, unlösbar. Doch ganz im Ernst, Ängste (auch Hoffnungslosigkeiten, Ohnmachten, Resignationen) lösen ist für mich die leichteste Übung geworden.
  • natürliche Nährstoffe die Angst lösen, den Geist klären:

    • L-Tryptophan mit Magnesium (wer viel Angst/Stress hat, braucht auch viel davon: die Aminosäure zusammen mit dem Mineral der inneren Ruhe)

    • Astaxanthin (besänftigt nicht nur die Angst, sondern auch Choleriker. Unerlässlich für die Herzgesundheit und zudem ein starkes Antioxidans; das brauchen alle, die Angst und Stress haben, dabei entstehen nämlich freie Radikale. Mein Bild von oxidativem Stress: die vom Sauerstoff braun gewordene - oxidierte - Apfelhälfte)

    • GABA (entsteht auch beim Meditieren und lässt uns verlernen, wie sich Stress und Angst anfühlen)

 

Die Sängerin Nina Simone sagte „I tell you what freedom is to me: no fear!“

Das unterschreibe ich gerne, sogar mehrfach.

Wir sind nicht frei, solange wir von einem Gefühl oder einem Zustand bestimmt werden.

Prävention ist immer besser als heilen.

Am besten lassen wir es gar nicht erst dazu kommen, dass Angst unser Leben bestimmt.

Zum Glück können wir da was machen:

 

P.S.: Da schreibt mein Lieblings-Doc doch ausgerechnet heute auch über Angst =)

Lesenswert! "Corona und Angst" von Dr. Strunz.