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Die Verdauung des Lebens.

Manchmal ist das Leben chaotisch. Dann geraten wir in einen Wirbel aus verschiedenen unbekannten, unsicheren oder einfach zu vielen Geschehnissen, die wir nicht so schnell verarbeiten können wie sie sich ereignen. Das können Veränderungen im privaten, persönlichen Bereich sein: Der Job wird gekündigt und man steht erst einmal vor dem Nichts, ohne Perspektive, dafür aber vor Existenzängsten. Oder ein geliebter Mensch stirbt, jemand wird vom Lebenspartner verlassen – auch diese Art Verlust kann uns durchrütteln und das Leben ändert sich für uns dadurch drastisch. Und manchmal ist es sogar „nur“ ein Vielzuviel an Arbeit und Stress, von dem wir uns begraben fühlen bis sich ein Burnout anbahnt.

 

Neben den individuellen Wirbeln gibt es auch die großen, umfassenden, wie beispielsweise Kriege oder eine Pandemie. Da wird alles im großen Rahmen unsicher und weil es jeden Einzelnen betrifft, ist auch niemand da, der Halt geben kann.

Jeder geht mit solchen Ereignissen anders um, manche bleiben gelassener als andere. Für die einen ist es eine Katastrophe und sie bleiben in einem Gefühl der Ohnmacht stecken, andere suchen sich direkt neue Wege, weil sie keine Angst vor dem Unbekannten haben oder halten zunächst still, um sich neu- und umzuorientieren.

Wie wir reagieren, wenn das Leben unvorhersehbare Wendungen mit sich bringt oder vielfach anstrengender wird, liegt an unserer Mitte – ob sie stark ist und wir zentriert bleiben oder aber ob sie schwach ist und wir den inneren Halt verlieren.

 

Das sagt sich immer so nett, „eine starke Mitte“, doch was ist das eigentlich?

Hier geht es um unser Nervensystem – wieder einmal!

Das Nervensystem und wie es aufgestellt ist bestimmt, ob wir resilient sind oder eben nicht. Also, ob wir Widerstandskraft besitzen: körperlich (Immunsystem), emotional (sich immer wieder fangen können, wenn wir aus der Bahn geworfen wurden) und mental (bei sich und lösungsorientiert bleiben, anstatt sich von äußerer Panik anstecken zu lassen).

Ob wir diese Resilienz besitzen, wird stark vom Vagusnerv beeinflusst – dem bedeutendsten Nerven des parasympathischen Nervensystems (unseres Ruhe- und Regenerationssystems) und von unserem damit auch zusammenhängenden „Seelenmuskel“, der unser Kampf-/Flucht-/Starreverhalten prägt: dem Psoas (der große Lendenmuskel/Hüftbeuger).

 

Das Nervensystem betrifft aber noch einen anderen wichtigen Bereich und das sind Magen und Darm, den YogiNis auch als Manipura Chakra bekannt. Dieses sogenannte „enterische Nervensystem“ oder auch „Eingeweidenervensystem“ nehmen wir als Bauchgefühl wahr. Es ist ein eigenes, unabhängiges Nervensystem mit etwa vier bis fünf mal mehr Nervenzellen als das Rückenmark hat – hier fließen also viele Informationen. Sogar die Schulmedizin bezeichnet diesen Bereich um Magen (samt Speiseröhre) und Darm als unser „zweites Gehirn“. Wir treffen oft (meist die richtigen) Entscheidungen aus dem Bauch heraus – oder wir haben ein ungutes, flaues Gefühl im Bauch, etwas schlägt uns auf den Magen, ohne dass das Essen daran Schuld gewesen wäre. Wir empfinden Wahrheiten mit unserm enterischen Nervensystem.

 

Die beiden Gehirne kommunizieren miteinander über die Bauch-Hirn-Achse. Das sieht in etwa so aus: Das Gehirn (unser „mind“) trifft eine vermutlich vernünftige Entscheidung. „Ja, ich werde dieses Haus kaufen. Es ist verkehrstechnisch gut angebunden, die Kosten halten sich in Grenzen und es ist saniert.“ Alles gute Gründe, ein Haus zu kaufen. Diese Entscheidung kommt über die Bauch-Hirn-Achse im enterischen Nervensystem an, das die Sache aber anders sieht. „Ja, schon. Aber irgendwas stimmt hier nicht. Ich glaube, das Haus passt nicht zu mir, die Gegend ist seltsam und ich glaube nicht, dass ich hier glücklich werde.“ Da unser zweites Gehirn nicht im eigentlichen Sinne denkt, gibt es die Rückmeldung seiner empfundenen Wahrheit als Krämpfe, Durchfall, Schmerzen, flaues Gefühl, Übelkeit oder auch chronisch als Reizdarmsyndrom und Hautprobleme wie Neurodermitis und den damit zusammenhängenden Nervenverbindungen, Nervenbotenstoffen und ausgeschütteten Hormonen an das Vernunft-Gehirn weiter.

Wenn wir weise sind, halten wir bei solchen Symptomen inne und versuchen zuzuhören, nach innen zu lauschen und zu verstehen, was nicht in Ordnung ist, was uns so zusetzt, anstatt auf die Entscheidung der Vernunft zu bestehen und uns damit über unser Gefühl hinwegzusetzen.

Viele Menschen tun aber genau das. Weil sie es nicht anders gelernt haben, weil es einen verweichlichten Ruf hat, einen Rückzieher zu machen oder sogar nur in sich hinein zu hören und auch, weil es unbequem ist. Das bedeutet Dauerstress für unser empfindsames enterisches Nervensystem und damit schwächen wir unsere Mitte.

Mit der geschwächten Mitte schwächen wir außerdem unseren Willen, unsere Sicherheit unsere Souveränität und Ausstrahlung, unsere Verdauung – auch die des Lebens.

 

Außer immer achtsam auf unser Bauchgefühl zu hören, können wir vieles für unsere starke Mitte tun:

  •  Natürlich hat dieser Bereich mit Nahrung zu tun: Also, essen und trinken, wie man es gut verträgt. Keine verarbeiteten Produkte und falls bereits Nahrungsmittelunverträglichkeiten da sind, darauf Rücksicht nehmen, bis der Körper sie wieder verarbeiten kann. Die Traditionelle chinesische Medizin (TCM) und Ayurveda geben gute und typgerechte Tipps, sodass unsere Nahrung ganz gezielt wirkt und uns heilen kann.
  • „Was nährt mich?“ sollte man aber auch im übertragenen Sinne verstehen. Welche Menschen tun mir gut oder nicht gut? Welche Handlungen und Arbeiten nähren mein Sein – oder nicht? Auch im Bezug auf Orte: Wo fühle ich mich wohl? Vielleicht sollte ich meine Wohnung mal rundum aufräumen und durchputzen...

  • Yoga bietet uns eine ganze Bandbreite von Übungen, die für unsere Mitte hervorragend sind. Alles, was Druck und Dehnung auf die Bauchgegend gibt, aktiviert das Manipura Chakra, also Magen, Darm & Co. Alle gedrehten Haltungen, alle Übungen in Bauchlage und welche, die die Bauchmuskeln stärken.

  • Im Yoga gibt es außerdem Reinigungstechniken, die das enterische Nervensystem und unser Immunsystem auf Vordermann bringen.

    Simhasana, der Löwenatem: Hier atmet man tief durch die Nase ein und vollständig und tief durch den Mund aus: dabei die Zunge so weit rausstrecken wie möglich und die Augen zur Stirn drehen. Das entlädt festsitzenden Stress, vor allem im Kiefer-/Mundraum, der immer auch mit der Darmreaktion zu tun hat. Und dieser Atem entsäuert uns. 3 bis 5 Wiederholungen täglich sind eine gute Basis.

    Nauli oder Agnisarkriya: Das ist was für geübtere YogiNis und sollte durch einem erfahrenen Lehrer erlernt werden. Nach der vollständigen Ausatmung (auch direkt nach Simhasana möglich) atmet man fingiert ein und erzeugt dadurch ein Vakuum im Bauch, sodass die Eingeweide hochgedrückt werden. Während man den Atem noch immer in der Atemleere hält, löst man die Bauchdecke und zieht sie im Wechsel wieder ein, bis man den Atem nicht mehr halten kann. Bei „Nauli“ wird nicht nur gelöst und eingezogen, sondern dabei kreist die Bewegung auch noch im Bauch in beide Richtungen. Ganz klare Gegenanzeigen hierfür sind Magenschleimhautentzündung, Magengeschwüre, Schwangerschaft, Bluthochdruck, Augendruck, kranke Blutgefäße. Falls Erkrankungen bestehen, sollte man das vorher immer abklären, ob diese Übungen geeignet sind. Kapalabhati und Feueratem sind Atem- und Reinigungstechniken, die eine gute Vorbereitung für Nauli und Agnisarkriya sind und, zwar weniger intensiv, aber dennoch den Bauch und seine Organe in Schwung bringen.

  • Meditation hilft uns, unser gesamtes Nervensystem zu beruhigen. Wer sich durchgewirbelt fühlt, sollte das also unbedingt tun. Am besten schon in ruhigen Zeiten, dann fällt es leichter, wenn sich das Leben mal chaotisch anfühlt. Wer nicht still sitzen kann: Hier geht es zu den Tipps, wie jeder meditieren kann.

  • Wir können außerdem über unsere Energiebahnen, die Meridiane, die mit dem Dünndarm, Dickdarm und dem Magen in Verbindung stehen, unsere Mitte stärken.

    Eine wunderbare Übungsreihe, die mit diesen Meridianen arbeitet, heißt wie der Titel dieses Artikels „Die Verdauung des Lebens“ und ist im „Kundalini Yoga Handbuch“ von Satya Singh zu finden. Darin erklärt der Autor auch die zu diesen Meridianen und damit zu den jeweiligen Organen gehörenden Testmuskeln, durch deren Bearbeitung man Magen und Darm stärken kann.

  • Wenn ich an Darmgesundheit und eine starke Mitte denke, denke ich sofort und immer auch an die Vitalstoffe, die dieser Bereich ganz besonders braucht. Der Darm mag die Aminosäure Tryptophan – meist viel höher dosiert als auf der Packung zu lesen, erst dann stellt man ihre Wirkung fest. Welche das ist? Ein entspannter Magen und Darm, Milderung bis Auflösung sämtlicher Stresssymptome wie Durchfall, Krämpfe, Reizdarm, Blähungen und, und, und. Hinzu kommt, dass Tryptophan, also ein ganz natürlicher, körpereigener Baustoff, ein Baustein für Serotonin ist. Serotonin ist unser Glückshormon oder wie Dr. Strunz gerne auch sagt: unser „Chefhormon“. Es hilft uns souverän zu bleiben, egal was ist und was kommt. Serotonin ist Gelassenheit und Stärke – das Gegenteil von Angst und Depression.

    Wir können uns unser Serotonin selbst herstellen: Aus dem erwähnten L-Tryptophan, Magnesium (am besten Citrat), Zink, Omega3 (aus dem Meer: Algen, Fisch) und Vitamin D (immer zusammen mit Vitamin K2).

    So entsteht eine Starke Mitte, Resilienz, Ruhe.

    Damit wir all diese guten Dinge verstoffwechseln können, brauchen wir eine gesunde Darmflora – also her mit den Darmbakterien! Dazu können wir eine Kur mit Darmbakterien machen oder aber – auch wieder Strunz – aus einer Pfütze im Wald trinken.

    Wohl bekomm's!

 

Hinter dieser Sammlung an Vorschlägen steht wie immer das Thema Eigenverantwortung. Erst, wenn wir die Verantwortung für uns selbst, unser Wohlbefinden, unser Leben übernehmen, ohne sie auf jemand anderen abzuwälzen (diese Macht möchte ich niemandem geben), dann können wir in uns ruhen, in unserer starken Mitte.

 

Es lohnt sich, immer mal wieder einen Blick darauf zu werfen und sich zu fragen: Sorge ich für mich selbst und sorge ich gut für mich selbst? Oder warte ich darauf, dass andere das für mich tun, mich stärken und mir Glück bereiten sollen?

Je nachdem, wie die Antwort ausfällt, gibt es einiges zu tun.

Siehe oben.

 

 

Quellen und zum Weiterlesen

Betriebsanleitung L-Tryptophan

Über das Chefhormon

Tryptophan und seine Wirkung

Tryptophan und Reizdarm

 

Für eine persönliche Vitalstoffberatung stehe ich dir gerne zur Verfügung.