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Was Muskeln mit dem Immunsystem zu tun haben.

Es gibt ein Buch, dessen Titel schon alles sagt: „Sitzen ist das neue Rauchen.“ (von Dr. Kelly Starrett). Man stelle sich die Pflichtkennzeichnung auf einem Stuhl vor: „Sitzen kann tödlich sein.“ Klingt ein wenig übertrieben? Ja vielleicht und nein, eher nicht. Es kommt auf den Menschen an und wie viel er am Tag sitzt. Nach dem Schreibtischsitzen kommt womöglich noch das Sitzen in der Bahn oder im Auto und dann – endlich zu Hause! - auf dem Sofa.

 

Nicht nur unser Herz-Kreislaufsystem wird beim Dauersitzen lahm, sondern auch die Organe arbeiten weniger, können ihre Arbeit nicht richtig tun, weil sie nicht bewegt und vielleicht sogar durch eine schlechte Sitzhaltung eingeengt werden. Und letztendlich leidet unser Bewegungsapparat: Muskeln und Gelenke schmerzen, wenn sie nicht ausreichend mobilisiert werden, die Muskeln verkürzen und verkümmern.

Ein trauriges Bild – ein trauriger Mensch. So geht es vielen in Deutschland (nicht nur dort), wenn man einen Blick auf Statistiken wirft.

 

Depressive Verstimmungen, Burnout und Krankheit sind Folgen des Sitzmarathons. Dafür gibt es eine ganz einfache Erklärung: Wenn wir sitzen, simulieren wir eine Art Winterschlaf. Der Körper fährt sämtliche Funktionen runter, denn er ist schlau. Wenn etwas nicht gebraucht wird, wird es auf Standby gesetzt oder ganz abgeschaltet. Wir müssen also dem Körper zeigen, dass wir am Leben sind und sein wollen, dann setzt er alles in Gang, das uns zu einem energiegeladenen, gesunden und glücklichen Menschen macht.

 

Die Muskeln spielen hierbei eine ganz besondere Rolle – in mehrfacher Hinsicht.

Mit gesteigerter Muskelkraft haben wir mehr Energie, eine bessere seelische Verfassung, weniger Körperfett und ein stärkeres Immunsystem.

 

 

KILLERZELLEN

In seinem Buch „Die 15 besten Tipps für ein starkes Immunsystem“  zeigt Dr. Ulrich Strunz die ganz einfach zu merkende Formel auf: „Je mehr Muskeln, desto mehr immun.“
Und weiter. In einer Studie in Italien hat man nachgeforscht: „Sie untersuchen Hundertjährige. Suchen also 37 Italienerinnen und 25 Italiener zwischen 90 und 106 Jahren, nehmen Blut und Muskeln unter die Lupe. Ergebnis: Je mehr Muskeln im Oberarm, desto mehr Killerzellen im Blut.“
Killerzellen (heißen wirklich so) sind Zellen des Immunsystems, die veränderte Zellen – also Krebszellen und von Erregern befallene Zellen – erkennen und töten.
Das klingt simpel und ist gleichzeitig so grandios! Mehr Muskeln = mehr Killerzellen = kompetentes Immunsystem. Und das Immunsystem kann jede Krankheit heilen, wenn es denn richtig funktioniert.

Muskeln können aber noch mehr als nur Killerzellen zu produzieren.

 

 

MYOKINE

2007 hat die dänische Forscherin Bente Klarlund Pedersen Myokine entdeckt. Das sind Botenstoffe, die aus den Muskeln ausgeschüttet werden und ins Blut gelangen. Allerdings geschieht das nur in Bewegung durch die muskuläre Kontraktion. Je stärker der Muskel beansprucht wird, desto mehr Myokine werden ausgeschüttet.

 

Myokine sind kleine Tausendsassa.

Es gibt viele unterschiedliche Myokin-Arten mit genauso unterschiedlichen Aufgaben.

 

Da gibt es welche, die den Blutzuckerspiegel regulieren und vor Diabetes schützen, es sogar heilen können. Da gibt es andere, die das Wachstum der Gefäße anregen, sodass unser Körper besser durchblutet und so besser mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgt wird. Das ist für die Gesundheit von Herz und Kreislauf ausschlaggebend. Auch dafür, dass die Gefäße entspannen sorgt diese Art – wichtig bei Bluthochdruck.

 

Dann gibt es da noch die Myokine, die den Stoffwechsel und damit die Fettverbrennung anregen. Ihr Ziel ist insbesondere das viszerale Fett – das gefährliche Bauchfett, das sich um die Organe herum legt und durch das Entzündungsstoffe ausgeschüttet werden, die die Grundlage für jede Krankheit sind. Ob Grippe, Demenz, Arthrose, Multiple Sklerose, Krebs oder Allergie: Der Nährboden für diese und andere Krankheiten sind die sogenannten stillen (unbemerkten) Entzündungen im Körper.

Ganz praktisch gedacht: Wer die Armmuskeln trainiert, schüttet vermehrt Myokine aus, die dann das Bauchfett schmelzen lassen.

 

Und nicht zuletzt gibt es eine Myokinart, die selbst Entzündungsstoffe auflöst, zudem aber auch noch entzündungshemmende Botenstoffe „anlockt“.

Wilhelm Bloch von der Deutschen Sporthochschule Köln bezeichnet diese vielfältigen Botenstoffe aus den Muskeln als unsere „körpereigene Apotheke“. In Studien konnte man nachweisen, wie durch vermehrte Myokinausschüttung Medikamente bei chronischen Krankheiten reduziert werden konnten. Medikamente sind immer auch eine Belastung für unser Immunsystem. Andere Krankheiten konnten geheilt werden und wieder andere entstehen erst gar nicht.

 

Jetzt dürfte wohl klar sein: Jeder will möglichst viele Myokine im Blut haben!

Um das zu erreichen ist eines ganz wichtig. Der innere Schweinehund muss ins Körbchen verwiesen werden.

Eine regelmäßige starke Belastung der Muskeln, bei der man richtig ins Schwitzen kommt, bringt am meisten. Schon nach etwa 20 Minuten intensivem Training hat man eine zwanzigfach erhöhte Myokin-Konzentration im Blut. Also zwanzig mal mehr Immunsystem und Gesundheit.

 

Wer sich aus gesundheitlichen Gründen nicht anstrengen kann oder darf, kann auf sanftes Yoga, Spaziergänge oder Nordic Walking zurückgreifen. Auch hier animieren wir die erwünschten Botenstoffe, aus den Muskeln herauszukommen. Nur sollte man Bewegung mit geringerer Belastung öfter wiederholen und länger machen, um etwa auf denselben Wert zu kommen.

 

MITOCHONDRIEN

Als wären das nicht schon Wunder genug, gibt es da noch eines, das im Muskel beheimatet ist: Mitochondrien.

Das sind die kleinen Zellkraftwerke innerhalb unserer Zellen, die zwar auch in anderen Zelltypen, vor allem aber in Muskelzellen vorkommen. Spitzenreiter dabei sind die Herzmuskelzellen mit einem Volumenanteil von 36%, der von den kleinen Kraftwerken ausgefüllt wird. Vor allem sind die Mitochondrien für die Energiegewinnung zuständig: Viele Mitochondrien = viel Energie. Wer seine Muskelmasse erhöht, erhöht damit auch automatisch die Anzahl der kleinen Zellorganellen und das wiederum bedeutet: mehr Energie. Also auch hier wie bei den Myokinen: Wir haben es selbst in der Hand!

 

Wenn wir uns stressen, schlecht ernähren, wenig bewegen, dann „beleidigen wir unsere Mitochondrien“, wie Dr. Strunz das so nett formuliert. Und das hat nicht nur Energielosigkeit zur Folge, sondern auch Krankheit. Mittlerweile gibt es sogar „Mitochondrien Medizin“. Dabei kümmert man sich vor allem darum, dass die Zellkraftwerke gut ernährt werden, einen guten Stoffwechsel haben und möglichst wenig von oxidativem Stress (freie Radikale) befallen werden.

 

 

KRANKHEITEN DURCH MITOCHONDRIALE FEHLFUNKTION

  • Allergien

  • Autoimmunerkrankungen

  • Rheuma

  • Multiple Sklerose

  • Herzprobleme

Für eigenverantwortliche Menschen ist das eine gute Nachricht: Kümmere dich um deine Muskeln, bewege dich, strenge dich körperlich an – und dein Immunsystem wächst mit der Anstrengung.

 

 

TIPPS ZUM MUSKELAUFBAU

  • Muskeln bauen sich nicht auf, wenn Proteine (Eiweiß) und andere Mikronährstoffe (Vitamine&Co.) fehlen.

  • Wichtig sind Aminosäuren. Die werden frei, wenn Proteine im Körper zerlegt werden. Eine besonders wichtige Aminosäure für die Muskelleistung und -regeneration ist L-Carnitin. Interessanterweise hilft Carnitin auch beim Abnehmen.

  • BCAAs (Branched-Chain Amino Acids) sind drei essentielle, verzweigtkettige Aminosäuren, die der Muskel zum Aufbau benötigt. Wichtig: Der Körper kann sie nicht selbst herstellen, sie müssen mit der Nahrung (z.B. aus Erbsen, Kakao und Cashewnüssen) oder als Nahrungsergänzung aufgenommen werden.

  • Bei müden oder krampfigen Muskeln:

    • Die B-Vitamine sind wahre Muskelvitamine. Typisches Mangelzeichen sind Muskelzuckungen.

    • Eisen bringt Sauerstoff in den Muskel, macht ihn leistungsfähiger.

    • Magnesium macht die Gefäße weit und lässt den Muskel besser durchbluten – das beste Mittel gegen Krämpfe und Verspannungen.

    • Kalzium, Natrium und Kalium werden für die Spannung benötigt.

    • Vitamin D-Mangel kann zu Muskelschwäche und sogar Muskelschwund führen. Wenn man mal überlegt, dass in der sonnenarmen Jahreszeit Krankheiten zunehmen und die Stimmung runtergeht, macht das Sinn.

    • Mitochondrien essen am liebsten Q10. Das gibt ihnen die Kraft zur Regeneration und schützt sie vor antioxidativem Stress - den freien Radikalen, die krank machen.

Für deine persönliche Vitalstoffberatung stehe ich dir gerne zur Verfügung!

  • Und ansonsten: Bewegen, bewegen, bewegen! Zur Erinnerung: „Sitzen ist das neue Rauchen“. An der Arbeit immer wieder vom Stuhl aufstehen. Das macht auch das Hirn wieder fit, kann danach konzentrierter und effektiver arbeiten. Nicht nur aufstehen, vielleicht auch mal hüpfen, springen, Arme schwingen – dem Körper zeigen, dass er doch nicht auf Winterschlaf umstellen soll.

    Und es gibt auch Schreibtische, die hochfahrbar sind und man im Stehen arbeitet.

  • Für die Yogapraxis: Möglichst immer wieder auch kraftvolle Übungen integrieren, bis zur Erschöpfungsgrenze – ja, auch im Yoga. Dafür haben wir ja die dynamischen Stile. Wer nur dehnt, wer nur YinYoga praktiziert, bekommt keine Muskeln.

 

 

Muskeln sind also für weitaus mehr als nur für unsere Kraft und unsere Haltung verantwortlich. Sie sind ein wichtiger Teil unseres Immunsystem und das ist fähiger – weil intelligenter – als jedes Medikament, als jede Impfung.

Auch wenn es noch warm ist, es wird Herbst und Viren und Bakterien sind nun einmal da.

Ran also an die „körpereigene Apotheke“!