Bija-Mantras (sprich: Biedsch) sind sogenannte Keimsilben, Klänge des Ursprungs. Wenn wir Bija-Mantras chanten, wirken diese auf allen Ebenen: physisch, mental, emotional, energetisch und spirituell. Ihre Schwingung zieht sich also durch alles, ob grob- oder feinstofflich. Das ist nicht unüblich, jeder Klang tut dies.
DAS BESONDERE DER BIJA-MANTRAS
Das Besondere der Keimsilben ist die ihnen innewohnenden Kraft, die stärker ist als die normaler Worte oder anderer Mantras.
Wie ein Keim, wie ein Samen enthalten diese einsilbigen Mantras alles, um etwas Neues und Großes entstehen zu lassen. In ihnen ist Shakti, die kreative und transformative Schwingung der Schöpfung enthalten!
Die Bedeutung der Bija-Mantras entzieht sich größtenteils dem Verstand, da ihre Information so weitreichend und vielfältig ist. Ganz ähnlich dem Blick in den nächtlichen Sternenhimmel, wenn wir versuchen, uns die Entfernung zu den Sternen oder gar die Weite des gesamten Universums vorzustellen. So wenig greifbar ist auch das, was ein Bija-Mantra in sich trägt.
Das ist übrigens auch der Grund, warum man diese Art Mantra nicht mit einem Wort übersetzen kann. Die Silbe samt ihrer Schwingung steht für sich. Möglich jedoch ist, mit vielen Worten zu beschreiben, welche Art der Schwingung die Silbe verbreitet, also was ihr Effekt ist. Oder auch über die Zuordnung zu Chakras und Gottheiten können wir sie greifbarer machen.
WELCHE BIJA-MANTRAS GIBT ES?
GOTTHEITEN
Die Eigenschaften hinduistischer Gottheiten finden sich gebündelt in Bija-Mantras. Daher gibt es so viele Gottheiten-Bijas, wie es hinduistische Götter gibt – und mehr. Manchen Gottheiten werden mehrere Bijas zugeordnet.
GAM ist beispielsweise das Bija-Mantra für Ganesha, den elefantenköpfigen Gott, der Hindernisse beseitigt, Negatives fernhält und Gutes zu uns bringt. GAM steht also für diese Themen. Om Gam Ganapataye Namaha ist das komplette Mantra.
DUM ist die Keimsilbe der Durga, der Kriegerin des Lichtes und der Herzenskraft, die alle Dunkelheit besiegt. Ihr Mantra lautet: Om Dum Durgaye Namaha.
HAM ist Hanumans Bija-Mantra. Der Affen-Halbgott steht für Prana, die Lebenskraft und damit auch für „Superkräfte“, die sich in uns zeigen, wenn wir sie am meisten brauchen. Auch Bhakti, die liebevolle Hingabe, ist eine Eigenschaft Hanumans. Om Ham Hanumate Vijeyam ist sein Mantra.
Dies sind nur drei Beispiele für Ishtadevata-Bija-Mantras: den Bijas der Gottheiten.
Auch Planeten haben ihre Bija-Mantras, doch das sei hier nur am Rande erwähnt. Wer mehr darüber wissen möchte, kann bei David Frawley nachlesen. In seinem ausführlichen Werk „Mantra Yoga and the Primal Sound: Secrets of Seed (Bija) Mantras“ schreibt Frawley wohl alles, was unser Verstand über die indischen Urklänge fassen kann.
Kommen wir nun zu meinem Hauptanliegen – den Chakras und ihrem Bija-Mantras:
CHAKRAS
Das wohl bekannteste Bija-Mantra ist OM (oder auch AUM geschrieben). OM ist Bestandteil von vielen Mantras und auch Teil einer Bija-Mantra-Serie, die durch die sieben Hauptchakras führt:
LAM - Wurzelchakra
VAM - Sakralchakra
RAM - Nabelchakra
YAM - Herzchakra
HAM - Kehlchakra
K’CHAM - Stirnchakra
OM - Kronenchakra
Hier werden vielleicht einige stutzen, da in den meisten Auflistungen der Bija-Mantras das K’CHAM nicht vorkommt. Stattdessen steht OM an der Stelle des Stirnchakras und dem Kronenchakra wird die Stille zugeordnet. Seit ich aber die Mantrafolge mit K‘CHAM kenne, möchte ich sie nicht mehr missen.
Das Chanten der Bija-Mantras hat unterschiedliche Stufen der Wirkung:
Zunächst klären sie unsere Energien, befreien uns von Blockaden und stagnierenden Energien. Dann bringen sie die Chakras in eine harmonische Schwingung, was man mit dem Stimmen eines Instruments vergleichen kann. Erst, wenn alle Seiten bzw. Chakras fein aufeinander abgestimmt sind, ertönt ein Wohlklang bzw. kann Energie fließen. Und zuletzt kommt die Aktivierung der Chakras. Da in Schritt eins und zwei Blockaden gelöst und die Chakras harmonisiert wurden, kann – um beim Instrument zu bleiben – die Lautstärke nun aufgedreht werden. Damit meine ich nicht, dass lauter chanten besser sei, sondern dass die Schwingung, die beim Chanten entsteht, sich immer weiter und weiter ausdehnt und dadurch unsere Gesamtschwingung erhöht.
Wenn etwas höher schwingt, entsteht eine positive, heilsame, schützende Kraft, die unser Bewusstsein erweitert.
Das ist der Grund, warum das Chanten der Bija-Mantras nicht nur eine energetische, sondern auch eine spirituelle Praxis ist. Wenn alles frei fließen kann, verbindet sich unsere individuelle Energie mit der des Kosmos. Wir schwingen uns sozusagen ein in die Wellen der universalen Energie. In das All-Eins-Sein, das uns vom Alleinsein erlöst.
In unserem persönlichen Erleben können wir Heilung auf allen Ebenen erfahren und uns energetischer fühlen, positiver, in unserer Mitte und verbunden mit uns selbst und dem Weg unserer Seele.
HINWEISE
Selbst erlebt habe ich das Chanten der Bija-Mantras ohne große Vorkehrungen seitens der Lehrer und es ist immer gut gegangen. Ich möchte jedoch nicht versäumen, auf Folgendes Hinzuweisen:
Ganz traditionell wird die Bija-Praxis nur erfahreneren Yogi°nis empfohlen, die durch Asana, Pranayama und Meditation ihren physischen, emotionalen, mentalen und energetischen Körper vorbreitet haben. Auf diese Weise werden die Energiekanäle von gröberen Blockaden befreit und verhindert, dass die Schwingung des Chantens sehr unangenehme Gefühle und Empfindungen hochholt und verstärkt.
Des Weiteren wird empfohlen, dass die Bija-Sounds nur durch einen reinen Körper fließen sollten, der frei von Drogen, Alkohol, Koffein und Nikotin ist. Manchmal wird auch von Fleischkonsum abgeraten.
Ich selbst sehe das weniger streng, doch man sollte sich bewusst machen, dass jegliche Form von Sucht für Blockaden steht und die werden in der Tat durch die Bijas getriggert. Andererseits: Wer von uns ist so frei von Blockaden, dass ein weiser Guru keine Einwände hätte…?
Meine Empfehlung ist, vor dem Chanten in einen zentrierten Zustand zu kommen. Entweder durch Meditation, Yoga oder Atemübungen – oder mit einer Praxis, die alles beinhaltet.
DIE BIJA-PRAXIS
Idealerweise pickt man sich nicht nur ein Mantra heraus, von dem man meint, dass man genau diese Schwingung braucht. Das Geheimnis der Heilung und Stärkung unserer Energie ist, dass wir alles miteinbeziehen – in diesem Fall alle Chakras und ihre Bijas.
Die Praxis, die ich hier beschreibe, habe ich von meinem geliebten Ashtangalehrer Darby gelernt.
VORBEREITUNG
Chante von „oben“ nach „unten“, also vom Kronenchakra bis runter zum Wurzelchakra die Silben hintereinander, etwa 2 Minuten lang. Immer wieder bei OM beginnend bis zu LAM.
Die Silben werden kurz und monoton gechantet, etwa eine Sekunde pro Silbe.
Die Vorbereitung dient dem „putzen“ des Wirbelsäulenkanals, durch den unsere Hauptenergie, die Kundalini, durchfließt.
HAUPTPRAXIS
Chante nun von „unten“ nach „oben, beginnend bei LAM, endend bei OM (bzw. mit Stille, falls Du die andere Praxisvariante vorziehst)
Jede Silbe wird mehrfach hintereinander wiederholt. Etwa 1-2 Minuten lang LAM, dann 1-2 Minuten VAM usw.
Wie oben beschrieben, werden die Bijas auch hier monoton und etwa sekündlich gechantet.
Nachdem Du alle Chakren durchgechantet hast, lasse Dir Zeit. Stehe nicht direkt auf, sondern bleibe 5-10 Minuten in Stille, entweder sitzend oder auf dem Rücken in Shavasana liegend. Wichtig ist, dass Du Dich während dieser Zeit nicht bewegst, damit sich die Schwingungen weiter fortsetzen und die freigesetzte Energie ungehindert und unbeeinflusst fließen kann.
Bevor Du aufstehst, spüre in Dich hinein, wie es Dir geht und ob Du noch etwas brauchst, z.B. noch etwas Ruhe oder ob Du Deine Erfahrungen aufschreiben möchtest.
VARIANTE
Das oben beschriebene Chanten hat etwas sehr Kraftvolles und Bewegendes. Hier werden Schwingungen spürbar in Gang gesetzt. Wünschst Du Dir eine sanftere Praxis, kannst Du diese ausprobieren:
Hierbei fällt die Vorbereitung des 2-minütigen von „oben“ nach „unten“ chanten weg.
Lege Dich auf den Rücken in Shavasana oder setze Dich bequem mit aufgerichteter Wirbelsäule hin.
Chante die Bija-Mantras von „unten“ nach „oben“. Wiederhole jede Keimsilbe 7 Mal. Jedoch nicht schnell im Sekundentakt, sondern langgezogen. Also: LAAAAAAAAAMMMMMMMMMMMM.
Nachdem Du das Kronenchakra gechantet hast, bleibe für einen Moment liegen und spüre den sanften Wellen der Mantraschwingungen nach.
MEINE ERFAHRUNG MIT DEN BIJAS
Das Chanten in der Gruppe hat eine unvergleichliche Wirkung und ist anders, als wenn man für sich alleine praktiziert. Der Grund dafür liegt auf der Hand: 40 Leute erzeugen eine intensivere Schwingung als nur eine Person. Wenn wir selbst Mantras chanten, entsteht Schwingung in unsrem und durch unseren Körper, wie bei einem Musikinstrument. Tun andere viele Menschen dasselbe, erzeugen sie Schwingungen, die wir von außen spüren. Beides zusammen hat einen verstärkenden Effekt.
In einem solchen Gruppenrahmen habe ich intensive Erfahrungen gemacht, bei bestimmten Chakras Beklemmung oder Übelkeit gefühlt. Das war unangenehm, am liebsten hätte ich den Raum verlassen. Doch ich wusste, dass sich hier was tut, dass sich etwas löst, das ich alleine für mich so gar nicht greifen konnte. Ich wusste auch nicht, welche inneren Themen und Blockaden dabei getriggert wurden. Oft ist das gar nicht so wichtig. Manchmal sogar besser, da wir dann nicht ins Analysieren und Verstehenwollen (= Festhalten) kommen. Etwas hatte sich (auf)gelöst und geblieben ist Leichtigkeit.
Eine weitere Erfahrung mit den Bijas war in Kombination mit der Yogapraxis.
Mein Lehrer Darby hatte sich angewöhnt, beim Yoga die Länge der Atemzüge zu führen. Nicht etwa durch Zählen, sondern durch das chanten der Bija-Mantras.
Er (nur er, nicht die Schüler°innen) chantete LAM, VAM, RAM, YAM, HAM, K’CHAM für die Dauer des Einatmens und ein langgezogenes Ooooooooommmmm für den Ausatem. Auf diese Weise hat er eine 90-minütige Yogaklasse angeleitet. Ein meditativeres Yoga habe ich nie erlebt.
Im AshtangaYoga funktioniert das recht gut, da die Reihenfolge der Asanas festgelegt ist und der Lehrer daher kaum ansagen muss. Für alle Nicht-Ashtangis: Sonnengrüße kann man damit auch wunderbar ansagen.
Praktizierst Du für Dich alleine, könntest Du Dir die Bijas selbst aufnehmen und als Loop abspielen.
Viel Freude beim Chanten und Transformieren!
“A seed when sown grows into a fruit bearing tree.
In the same way the Beej Mantra is full of Shakthi.
There are various Beej Mantras each with its own power.
When mixed with other mantras additional power accrues to that Mantra.”
~ L. R. Chawdhri
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