· 

Ananda. Sei das Glück!

Unser Wohlergehen und unsere damit zusammenhängende Stimmung überlassen wir all zu oft äußeren Umständen.

Wenn es erst einmal wieder Sommer ist, wird es mir besser gehen – diese trübe Jahreszeit macht mir schlechte Laune.“

Wenn dieser eine Kollege nicht wäre, dann würde mir meine Arbeit wieder Spaß machen.“

Wenn ich nur mehr Geld verdienen würde, dann könnte ich mir ein anderes Leben leisten und dann wäre ich glücklich.“

Wenn ich erstmal Urlaub habe, dann bin ich wieder viel entspannter.“

 

Wenn...dann... .

 

Wenn-dann“ ist trügerisch, es schafft Illusionen und Glaubenssätze. „Wenn-dann“ kreiert Phantasien von Glück in uns, die nicht nachhaltig, nicht von Dauer sind. Selbst wenn wir einmal Glück haben, weil sich Umstände ergeben, die so sind, dass wir für einen Moment, eine Weile glücklich sind, so gehen diese Momente doch immer wieder vorüber; irgendetwas wird sich verändern, sodass dieses Glücksempfinden immer nur vorübergehend sein kann. Denn alles verändert sich immerzu.

Das Problem liegt im Glück haben oder auch im glücklich sein. Wahres andauerndes Glück bedeutet, das Glück zu sein.

Im Yoga sagen wir dazu Ananda. Ananda bedeutet Wonne, Glückseligkeit, andauernde Freude und Glücksempfinden, das von innen kommt und von äußeren Dingen und Umständen unabhängig ist. Dann sind wir das Glück, wir verkörpern es.

Genauso wenig, wie die Sonne sich davon beeindrucken lässt, welches Leid auf der Erde geschieht und jeden Morgen wieder erstrahlt, so scheint auch unsere innere Sonne unablässig – egal, ob es regnet, ob es für uns gerade schwierig ist oder ob es allen Grund für Hoffnungslosigkeit gäbe. Ananda bleibt trotz aller Umstände.

Mit Ananda kommen wir in unsere wahre Natur zurück. Freude ist unsere wahre Natur, nicht das Festhängen in grüblerischen Gedanken, in Negativität oder Frust.

 

Die Buddhisten drücken das so aus: Das, was alle Lebewesen verbindet, ist der Wunsch, frei zu sein von Leid.

Der Jagd nach unechtem Glück, nach dem Rausch, der nie von Dauer sein kann, nach dem es immer gefühlsmäßig bergab gehen muss, setzen sie Achtsamkeit, Mitgefühl, Mitfreuen und Dankbarkeit entgegen.

Der buddhistische Mönch Thich Nhat Hanh sagt: „Die Erde, die Bäume, das Wasser, die Luft, die Vögel, die Insekten – all das ist da, und wir können die vielen Bedingungen für unser Glück, die uns im Hier und Jetzt zur Verfügung stehen, berühren. Wir werden feststellen, dass wir nicht mehr brauchen, denn diese Bedingungen reichen bei Weitem aus, um glücklich zu sein. Aber wir müssen im Gegenwärtigen Moment verweilen, um sie wahrnehmen zu können. So lange wir weiter rennen, wird es schwierig sein, das Glück zu finden. Innehalten lässt uns die Bedingungen für unser Glück erkennen, die bereits vorhanden sind.“ 1

 

Das, was Thich Nhat Hanh beschreibt, können wir jederzeit tun, es ist einfach in den eigenen Alltag zu integrieren.

Man wacht auf und anstatt zu denken „Oh mein Gott, das wird schlimmer Tag.“ könnten wir wahrnehmen, dass wir in einem kuscheligen Bett liegen, dass wir ein Dach über dem Kopf haben und dass gleich ein wundervoller Tee oder Kaffee auf uns wartet.

Anstatt gehetzt durch die Wohnungstür zu rennen, weil es noch so vieles zu tun gibt, könnten wir kurz innehalten, durchatmen und lächeln – weil wir gleich unseren eigenen Raum betreten.

Anstatt davon genervt zu sein, jetzt noch Wäsche aufhängen zu müssen, können wir die Kleidungsstücke bewusst ansehen, zwischen den Fingern spüren und sie mit Respekt und Dankbarkeit aufhängen – toll, dass wir sie haben! (So mache ich das immer, wenn ich noch abends um halb elf runter in den Keller muss...)

Anstatt von anderen und ihrem Verhalten genervt zu sein und ihrem Sein die Schuld an unserem Unglück zu geben, können wir empathisch und mitfühlend sein und uns bewusst machen, dass wir selbst sicherlich auch schon einmal auf diese Weise auf jemanden gewirkt haben und was dazu geführt haben mag, dass dieser Mensch sich so benimmt. In ganz schweren Fällen kann man sich bewusst machen, dass man selbst nur ein paar Minuten oder Stunden am Tag mit diesem schwierigen Menschen zu tun hat – er selbst muss aber Vierundzwanzig Stunden am Tag, sieben Tage die Woche mit sich verbringen.

Wenn uns jemand griesgrämig entgegenkommt, uns unachtsam anrempelt, können wir über unsere eigene Achtsamkeit froh sein und dass wir – ganz unabhängig vom Gegenüber – immer unser Lächeln haben, wenn wir nur wollen.

 

Yogi Bhajan hat das Freisein von Leid so ausgedrückt: „Happiness is your birthright!“

Und ein anderer KundaliniYogi, Gurucharan Singh Khalsa, weiter: „Glück ist dein Geburtsrecht! Akzeptiere es. Lebe es. Genieße es. Jeder Mensch, unabhängig von Reichtum, Status, Alter oder Religion, hat den verborgenen Wunsch, glücklich zu sein. Der Drang nach Glück steht hinter jedem anderen Wunsch. Das Problem ist, dass jeder Mensch auch ein verborgenes oder unterbewusstes Muster bildet, das Unglücklichsein erzeugt. Wir lernen diese Muster. Wir lernen, unglücklich zu sein. Manche Menschen identifizieren sich sogar mit dem Unglücklichsein und sind davon abhängig. 80% von uns lernen, durch eine Form der Unehrlichkeit gegenüber dem Selbst, durch Selbstmitleid, negative Stimmung oder Klatsch zu kommunizieren und zu manipulieren. Auf diese Weise stehen wir in unserem eigenen Schatten und fragen uns, warum es nicht sonnig ist.“ Und weiter: Glück ist eine Wahl. Es entsteht aus der Erkenntnis, dass wir in Design, Struktur und Potenzial vollständig sind. Glück findet sich nie in den Umständen, im Besitz oder in Beziehungen. Es ist eine Haltung, die wir in all diese Lebensbereiche einbringen.“ 2

Wir können die von Gurucharan Singh Khalsa angesprochene „Unhappiness“ erkennen, indem wir uns selbst fragen:
Wer wäre ich ohne meine Krankheit, ohne meine Probleme und Widrigkeiten? Wer wäre ich, wenn ich einfach nur glücklich wäre?“

Ich bin auf dem Dorf aufgewachsen. Ein wichtiger Bestandteil des sozialen Lebens vor allem der alten, aber auch der jungen Menschen, war, darüber zu reden, wie schlecht es ihnen geht, welche Krankheiten sie haben. Das wurde versucht, vom Gegenüber zu toppen – und letztendlich kamen noch Klatsch und Tratsch über das Verhalten der Mitmenschen hinzu. Das ist ganz sicher nicht der Ursprung von Ananda. Hier wird an allem Negativen festgehalten, weil es bedeutet, wichtig zu sein und eine Identität zu haben.

Hand aufs Herz, wie oft packen wir unsere eigene Seifenoper unseres Lebens aus und erzählen immer wieder denselben Text?

Das zu realisieren ist der erste Schritt.

Damit aufzuhören der zweite.

Ups.

Und auf einmal weiß man gar nicht mehr, worüber man sich noch unterhalten soll.

Schweigen ist ist eine wundervolle Fähigkeit.

 

Um unsere innere Haltung in Richtung Glück auszurichten, können wir uns auch bewusst machen, dass alles, was wir in und an uns pflegen, unsere Ausstrahlung und damit unsere Resonanz bildet. Wir bilden unsere neuronalen Netzwerke durch wiederholte Tätigkeiten und wiederholte Gedanken. Wir prägen uns also selbst und ziehen immer mehr Geschehnisse der neuronalen Netzwerke an, die am größten sind – weil wir nach diesen Erfahrungen suchen. Unser Körper, unser Hormonsystem sucht danach. „Suchen“ und „Sucht“ haben in diesem Zusammenhang eine bedeutende Wortverwandtschaft.

Wenn wir uns also ein netteres, freundlicheres und entspannteres Umfeld wünschen, sollten wir uns fragen:

Welcher nette und hochenergetische Mensch ist gerne in der Nähe eines dauergrummeligen Menschen (gleichbedeutend mit niedriger Energie)? Dieser Mensch zieht andere Dauergrummel mit wenig Energie an. Wenn ich daran also etwas ändern möchte, wenn ich tolle, angenehme Menschen in meiner Nähe haben möchte, dann ist es Zeit, mein Denken, mein Verhalten, meine Sprache und mein Fühlen zu verändern – und dadurch zu einem freundlichen, angenehmen Wesen zu werden.

 

Noch einen weiteren wichtigen Punkt setzt unsere Glückseligkeit, Ananda, unabdingbar voraus.

Radikale Akzeptanz.

Nur wer alle Widerstände ablegt, nur wer sich nicht wünscht, die Sonne würde zum Vorschein kommen, wenn es gerade regnet, wer seinen überaus anstrengenden Kollegen akzeptiert oder akzeptiert, dass man selbst die Stelle wechsel muss, wenn man den anderen nicht so annehmen kann wie er ist, nur wer nicht erst auf den Urlaub wartet mit dem Entspannen und dem Genießen des Lebens, kann Ananda erfahren.

Radikale Akzeptanz kennt kein „wenn-dann“, keine Opferhaltung, kein Gemecker, keine Argumente, noch nicht einmal Gerechtigkeitsdenken. Denn die Radikale Akzeptanz urteilt nicht. Stattdessen sieht sie und weiß: Es ist.

Die Erkenntnis "Es ist." (nicht gut oder schlecht, nur: Es ist.) hat ein lösungsorientiertes Denken und Handeln in uns zur Folge. Weil wir nicht gegen Windmühlen kämpfen und uns viel zu lange in diese aussichtslosen Kämpfe und Widerstände verwickeln lassen, sondern nach einem anderen Weg schauen.

Diese Haltung ist pures Instant-Glück. Weil man nicht mehr ständig kämpft und auch nicht mehr im Widerspruch ist mit den äußeren Geschehnissen und den inneren Wünschen. Radikale Akzeptanz ist keine Resignation, sondern eine kraftvolle innere Haltung, die bewirkt, dass uns nichts mehr aus der Ruhe bringen kann.

Im Ananda-Mantra von Deva Premal lautet eine Zeile:

"If you don't fight with life, life simply helps you, takes you on its shoulders."

Das ist Ananda und zugleich Radikale Akzeptanz.

 

Was ist nun der nächste Schritt?

 

Vielleicht einen Zettel beschriften mit „Happiness is your brithright!“ und diesen gut sichtbar aufhängen.

Oder einen kleinen Zettel an den Spiegel heften, auf dem steht: „Einatmen. Ausatmen. Lächeln.“

 

In diesem Moment lächle ich.

 

 

 

QUELLEN & ZUM WEITERLESEN

1Thich Naht Hanh „Goldene Regeln der Achtsamkeit“

2Gurucharan Singh Khalsa „Happiness is Your Birthright“

Dalai Lama, Desmond Tutu & Douglas AbramsDas Buch der Freude“ 

Matthieu Ricard „Glück: Leitfaden zur Entwicklung der wichtigsten Fähigkeit im Leben